Gemeinde Claußnitz

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Kurz vor seinem fünfzehnten Geburtstag verließ Daniel Gottlob das Dorf. Die Schulstube oberhalb des Angers war für den wissbegierigen jungen Mann zu eng geworden. Später bezeugt sein Freund Friedrich Maas: Auf "beharrliches Andringen" des Jungen habe Vater Türk seinen ältesten Sohn nach Dresden gebracht. Am 05. August 1765 wurde Daniel Gottlob am Internatsgymnasium (Alumnat) der Kreuzschule eingeschrieben. Die Vorkenntnisse der neuen Schüler waren bei dem uneinheitlichen Schulsystem damaliger Zeit noch sehr verschieden. Nach einer Eingangsprüfung wurden die Schüler deshalb einer ihrem Vorbildungsgrad entsprechenden Klasse zugeordnet. Türk wurde der Eingangsklasse 4 zugeordnet, das entspricht etwa dem Basiswissen.

Unser Türk wurde nach kurzer Zeit außerdem Sänger im Kreuzchor. Damit begann neben dem allgemeinen Schulstoff eine sehr gründliche musikalische Ausbildung. Bald fiel der junge Mann durch sein Streben nach musikalischer Gründlichkeit dem Leiter des Kreuzchores auf. Der Kantor und bedeutende Kirchenmusiker August Homilius war (höchstwahrscheinlich) selbst noch Schüler bei Johann Sebastian Bach gewesen und damit tiefgründiger Kenner der Barockmusik. Als Lehrer vermittelte Homilius nicht nur seine Bachkenntnisse, sondern übertrug auch seinen eigenen kompositorischen Arbeitsstil. Die Forderungen des Lehrers nach musikalischer Klarheit im Tonsatz und das Streben nach guter Klangwirkung nahm Türk bereitwillig an. Als väterlicher Freund unterstützte Homilius seinen Schüler, um auch dessen bescheidene äußere Ausgangsbedingung zu verbessern.

Die Beziehungen der höheren Schüler und Studenten zu ihrem akademischen Lehrer waren zu damaliger Zeit alltäglich und direkt. Neben der gesanglichen Ausbildung erhielten die Schüler zugleich eine gründliche Ausbildung an der Orgel. Die Begegnung mit Homilius war ein sehr wichtiger Schritt für das spätere musikalische Schaffen Türks. Der gymnasiale Unterricht selbst war zu Türks Zeit noch sehr theoretisch. Vor allem bestand der Lernstoff aus lateinischen und griechischen Texten und deren philosophisch-religiöser Auslegung. Erst 20 Jahre nach dem Türk das Gymnasium verlassen hatte, hielten unter bürgerlich - aufklärerischem Einfluss Geschichtsunterricht und naturkundliche Fächer Zugang zu den Schulstuben.

Der Schultag dauerte für Türk von 7.00 Uhr bis 16.00 Uhr. Pausen wurden vom Lehrer unregelmäßig und selten eingelegt. Von 10.00-12.00 Uhr erhielt jeder Schüler je nach seinem Wissensstand eine spezielle Förderung. Großer Wert wurde auf die Gemeinschaft der Schüler gelegt. Leistungsstärkere hatten Leistungsschwächere zu unterstützen. Man trug gleiche Kleidung und Mützen. Wöchentlich wechselnd wurden zur Aufsicht verschiedene Ämter an die Schüler vergeben. Die damit betrauten hatten über Ruhe, Ordnung und Disziplin zu wachen. Die Internatsschüler mussten zu ihrem Unterhalt selbst beitragen. Dazu zogen sie als" Kurrende" mit ihren markanten schwarzen Hüten und Mänteln als "Laufchor" in Dresden umher und sangen bei Hochzeiten und Beerdigungen vor den Häusern reicher Bürger.

Gesittet hatte es auch außerhalb der Schule zuzugehen. Verboten waren Schwatzen und Toben in den Gassen und das Baden in der Elbe. Von den Gymnasiasten zu unterlassen war ebenso der Gebrauch der deutschen Sprache in der Öffentlichkeit. Am Ende der Schulzeit stand die Valediktion. Das war eine wohlgesetzte Abschiedsrede in lateinischer oder griechischer Sprache. In dieser Rede hatte der Schüler zugleich seine erworben theologischen, philosophischen, historischen und musikwissenschaftlichen Kenntnisse darzulegen. Damit erhielt er den Zugang zur Universität.

Als Daniel Gottlob und sein Vater 1765 in der sächsischen Landeshauptstadt eintrafen, waren die Folgen des Siebenjährigen Krieges noch ganz sichtbar. 1760 hatten die Preußen Dresden beschossen und damit in weiten Teilen zerstört. Die Kreuzkirche als Hauptwirkungsstätte der Kruzianer lag bis auf einen längs gespaltenen Turmrest völlig in Trümmern. Deutlich ramponiert war auch die dazugehörige Kreuzschule, die jetzt Türks neues Schulhaus war. Nach dem Siebenjährigen Krieg begann in Sachsen die Zeit des "Aufgeklärten Absolutismus". Sachsen war zwar von den Preußen unabhängig geblieben aber wirtschaftlich völlig ausgeplündert und politisch nahezu bedeutungslos geworden. Ein Neuaufbau in allen Bereichen des Landes stand an der Tagesordnung. Die althergebrachte Herrschaftsform der absoluten Adelsmacht war dazu allein nicht in der Lage. Aufgeklärten Adlige um Kurfürst Friedrich Christian und bürgerliche Kräfte um den Leipziger Großbürger Thomas von Fritsch setzten sich gemeinsam für eine grundlegende Reform in allen Bereichen des Landes ein. Aufklärerisch- liberales Gedankengut schafft die Voraussetzung für einen allmähligen Übergang zur bürgerlichen Gesellschaft. Überall in Sachsen kommt es zum wirtschaftlichen Aufschwung.

Den Bauern und Textilhandwerkern an Türks Heimatort kann es zunächst nur recht sein. Es beginnt eine Zeit, die in Claußnitz schließlich eine blühende Landwirtschaft und bodenständige Textilbetriebe hervorbringen wird. (dpc)

 
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