Wenige Wochen bevor Daniel-Gottlob Türk am 10. August 1750 in Claußnitz das Licht der Welt erblickte, war nur zwei Tagesreisen entfernt, in Leipzig Johann Sebastian Bach gestorben.
Mit Bach ging das bedeutsame Zeitalter der Barockmusik zu Ende. Doch davon dürften selbst die "Herrschaftlichen Jagdpfeiffer" aus Claußnitz und anderen Orten der Umbebung nicht sofort etwas mitbekommen haben. Wenn im Schlosse zu Wechselburg aufgespielt wurde, legte man nicht gleich die neuesten Noten auf. Die schönburgischen Grafen hatten sich zwar länger als andere Adelsgeschlechter gegenüber dem wettinischen Kurfürsten behaupten können, aber seit zehn Jahren waren sie doch vom wettinischen Territorialstaat durch Verträge (Rezesse) abhängig geworden.
Die Schönburger Grafen konnten kein ständiges Orchester unterhalten, sondern trommelten die Musiker aus ihren Orten nur zu besonderen Anlässen zusammen. Aus Claußnitz müssen es genügend Musikanten (oft Handwerker) gewesen sein, so dass man auch im Ort schon proben konnte. Daniel Gottlob´s Vater gehörte als Geiger zu den Jagdpfeiffern. Später wuchs auch Daniel Gottlob in diesem musikalischen Umfeld auf, erlernte das Geigenspiel vom Vater und das Spiel auf Blasinstrumenten von anderen Musikern der Truppe. Wenn auch Singen und Musizieren zu dieser Zeit in Kirche, Schule, bei der Arbeit und am Abend auf dem Anger, in den Gasthöfen, zu Festtagen oder beim Quartalsbier immer gegenwärtig waren, kümmerte man sich nicht um Musikepochen.
Die Claußnitzer bewegten um 1750 alltäglichere Fragen. Schon seit 1740 waren im Zusammenhang mit den Schlesischen Kriegen und der Misswirtschaft am Dresdener Hof die Steuern ständig gestiegen. Das belastete auch die im Ort ansässigen 16 Vollbauern (Pferdner), 22 Kleinbauern (Gärtner) und 50 Häusler (Handwerker). Im Nachbarort Wiederau kam es beim Steuern eintreiben zu regelrechten Unruhen.
In den Orten unserer Parochie (Kirchgemeinde) ging hingegen ein seit 1747 gehegter Streit zu Ende. Beim "Claußnitzer Kirchenstufenstreit" ging es um die Erneuerung der Stufen vom Anger zum Friedhof. Die veranschlagten Baukosten wurden gigantisch überschritten. Alle zur Claußnitzer Kirche gehörenden Orte sollten zahlen. Die Markersdorfer und Diethensdorfer Kirchgänger brauchten die Stufen eigentlich nicht. Man stritt sich deshalb gerichtlich über alle Instanzen. Die Kosten wuchsen rasch. Das Urteil der Leipziger Juristenfakultät lautete: Alle Kirchorte müssen zahlen. Die Röllingshainer fügten sich klugerweise, Markersdorf und Diethensdorf beauftragten einen zweiten Advokaten. Man appellierte bis zum Kurfürstlichen Gericht in Dresden. Das Ergebnis dieser mehrjärigen Streiterei: Die Klage der beiden Dörfer wurde abgewiesen. Neben den Baukosten von jeweils 20 Thalern wurden für Diethensdorf und Markersdorf noch einmal etwa die gleiche Summe an Gerichtskosten fällig.
Bei diesen Kosten mögen so manchem unserer Dörfler die heißen Kartoffeln im Munde steckengeblieben sein. Um 1730 sind die zunächst verachteten Knollen in hiesiger Gegend aufgekommen. Um 1750 werden sie in Claußnitz Gutskaufverträgen genannt. Ihren unschätzbaren Wert hat man erst nach den Getreidemissernten und Hungersnöten nach 1770 wirklich erkannt.
Als Daniel Gottlob Türk 1750 in unserem Dorfe geboren wird, hatte das dörfliche Idyll auch aus anderer Sicht schon längst einen Riss bekommen. Seit Jahrhunderten hatte die Leineweberei ihren festen Stand in Claußnitz gehabt. Doch durch verbesserte Webstühle war nun die ländliche Leineweberei unrentabel geworden. Viele Weber stellten ihre Produktion um und wurden Strumpfwirker. Einer dieser Strumpfwirker war Daniel Türke, Daniel Gottlob´s Vater. Er schrieb sich noch mit einem "e" am Namensende.
Aus dem Taufbuch der Claußnitzer Kirche 1750:
Daniel Gottlob Meister Türkens Strumf Wirker und Musici instrumentalis allhier
Söhnlein ist von seiner Mutter Fr. Maria Rosina eine geborene Müllerin aus Claußnitz
10 August nachmittas gegen 5 Uhr geboren und am 12. ejustem (des gleichen Monats) getauft worden.
Die Paten
1. Johann Türke ein Strump-Händler in Grüna
2. Anna Elisabeth Meister Augustin Eidners Mahl Müller allhier Eheweib
3. Meister Johann Martin Kretzschmar Gärtner und Strumpfwirker allhier
Während in früheren Jahrhunderten wegen der hohen Säuglingssterblichkeit manche Kinder noch am Tag der Geburt getauft wurden, ließ man sich hier etwas mehr Zeit. Daniel Gottlob wird also ein kräftiger und lebensfähiger Junge gewesen sein. In zahlreichen Musiklexika war Türks Geburtsjahr mit 1756 lange Zeit falsch angegeben. Erst spätere Nachfragen im Pfarrarchiv erbrachten eine Richtigstellung. (dpc)
Wer es noch genauer wissen will:
Die Heimatstube am Anger 3 ist am 2. Sonntag im Monat von 14.00 - 17.00 Uhr geöffnet.
Türk-Ausstellung | Alte Möbel und Hausrat | Sonderausstellung "100 Jahre Fußball in Claußnitz